Aus dem Alltag von … Marco Schneider

Ein Gespräch über das Potential von Leichtbaulösungen

Um den Energie- und Werkstoffverbrauch in der Produktion zu reduzieren, werden zunehmend Leichtbautechnologien eingesetzt. Solche Verfahren erfordern weniger Materialeinsatz und setzen leichtere Komponenten ein, sodass Energie und Kosten eingespart werden können. Welches Potential dadurch für produzierende Unternehmen entsteht, weiß Marco Schneider vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Der Leiter des S-TEC Zentrums für Leichtbautechnologien, kurz ZLB, erklärt im Interview, warum die Einbindung von Leichtbautechnologien über sämtliche Branchen hinweg sinnvoll ist und wie das ZLB bei der Implementierung unterstützen kann.

Wie bist Du zu Deinem Schwerpunkt Leichtbautechnologien gekommen?

Schon während meiner Promotion an der Uni Stuttgart habe ich eine Forschungsgruppe zum Thema Zerspanungstechnologie geleitet. Damals ging es hauptsächlich um Materialien wie Holz, Kunststoff und faserverstärkte Kunststoffe. Vom Institut für Werkzeugmaschinen bin ich dann ans Fraunhofer IPA gewechselt, um die Abteilung für Leichtbautechnologien mit aufzubauen. Die Themen Zerspanungs- und Bearbeitungstechnologie für Leichtbauwerkstoffe sind noch heute wichtige Säulen für meine Arbeit am Zentrum für Leichtbautechnologien.

Welche Funktion hast Du am S-TEC Zentrum für Leichtbautechnologien?

Als Leiter des Zentrums beschäftige ich mich vor allem mit strategischen und organisatorischen Aufgaben. Dabei decke ich alle drei Forschungsschwerpunkte ab, die hier am ZLB bearbeitet werden: von Bearbeitungstechnologien wie etwa Fräsen, Bohren und Sägen, über den Einsatz von Leichtbauwerkstoffen und -prinzipien im Maschinen- und Anlagenbau und der Produktionstechnik bis hin zu Füge-, Trenn- und Recyclingverfahren für Leichtbauwerkstoffe. Insbesondere der letzte Forschungsschwerpunkt wird für uns zunehmend wichtiger. Bei jedem Arbeitsschritt müssen wir berücksichtigen, wie die zusammenzufügenden Leichtbauwerkstoffe nach Lebensende wieder zurückgebaut werden können.

Im Juli 2022 seid ihr in das erste offizielle S-TEC Gebäude gezogen. Was hat sich dadurch verändert?

Der Umzug ist für unser Zentrum natürlich ein großer Schritt, da wir nun repräsentative Flächen haben, um unsere Maschinen und Anlagen zu betreiben. Dadurch können wir »am offenen Herzen« operieren, Anwendungen für Industrie- und Forschungspartner demonstrieren und Abläufe direkt an industrienahen Maschinen besprechen. Viele unserer Seminare und Tagungen finden nun auch in der Versuchshalle statt. Zudem haben wir an Raum gewonnen und können unsere Produktions- und Laborflächen erweitern. Aktuell bauen wir zum Beispiel ein Labor für das Thema Fügen, das ein wesentliches Verfahren im Leichtbau ist.

Das erste offizielle S-TEC Gebäude des Zentrums für Leichtbautechnologien (ZLB)
© Fraunhofer IPA; Foto: Uwe Schleinkofer

Worin liegen die Vorteile von Leichtbau?

Das Prinzip ist einfach: Durch Leichtbau wird das Gewicht von Bauteilen reduziert. Diese gewonnene Leichtigkeit kann die Leistungsfähigkeit von Maschinen und Anlagen steigern: Wenn Bauteile leichter sind, lassen sie sich schneller bewegen. In den letzten Jahren hat sich der Fokus unserer Arbeit verschoben. Es geht nicht mehr nur darum, durch Leichtbau eine höhere Produktivität zu erzielen, sondern vor allem Energie einzusparen: Wie können wir bei gleicher oder höherer Leistungsfähigkeit im Betrieb Energie einsparen? Und natürlich werden durch Leichtbau weniger Ressourcen benötigt. Jedes Kilo Werkstoff, das nicht verbaut wird, muss weder hergestellt noch transportiert werden. In Bezug auf Energie- und Ressourceneffizienz ist Leichtbau die Ingenieurskunst, die das Problem direkt an der Wurzel anpackt. Wir setzen uns nicht damit auseinander, Maschinen mit Ökostrom zu betreiben, sondern fragen uns direkt von Anfang an: Wie können wir den allgemeinen Energieverbrauch der Maschine in Herstellung und Betrieb senken?

Portrait vom Leiter des Zentrums für Leichtbautechnologien (ZLB) Marco Schneider
© Fraunhofer IPA; Foto: Rainer Bez

Leichtbau ist die Ingenieurskunst, die das Problem direkt an der Wurzel anpackt. Wir setzen uns nicht damit auseinander, Maschinen mit Ökostrom zu betreiben, sondern fragen uns direkt von Anfang an: Wie können wir den allgemeinen Energieverbrauch der Maschine in Herstellung und Betrieb senken?

Dr. -Ing. Marco Schneider


Inwiefern spiegelt sich dieses Nachhaltigkeitsbewusstsein auch in den Anfragen eurer Kund*innen wider?

Aktuell sind Anfragen, bei denen es um eine reine Energieeinsparung geht, tatsächlich noch sehr selten. Wir spüren erst allmählich, dass dieses Thema Aufmerksamkeit generiert. Die Produktion ist manchmal ein schwerfälliger Tanker. Von Entwicklungsprojekten, die in der Regel mehrere Jahre dauern, bis zur Veränderung von Produktionsprozessen, ist es meist ein langer Weg.

Was kann das ZLB einem Unternehmen konkret anbieten?

Wir beraten Unternehmen zum Beispiel zur Entwicklung von konstruktiven Leichtbaulösungen und prüfen, ob und wo der Einsatz sinnvoll ist. Da der Leichtbau mit Mehrkosten verbunden ist, müssen sich diese entweder im Bau oder im Betrieb der Maschine wieder auszahlen. Dazu verfügen wir über verschiedene methodische Tools, um die Anwendung zu simulieren und Berechnungen durchzuführen. So können wir Unternehmen von der Entwicklung über die Konstruktion bis hin zur Erprobung der Maschinen begleiten. Zudem können wir dabei unterstützen, verschiedene Prozesse durch Bearbeitungstechnologien energieschonender zu gestalten und zu digitalisieren, um wichtige Daten auszulesen.

Für welche Unternehmen sind Leichtbautechnologien aus eurer Perspektive besonders interessant?

Leichtbautechnologien haben dort am meisten Impact, wo Prozesse bereits schnelle Bewegungen enthalten. Nicht sinnvoll ist es hingegen, Leichtbau für statische Anwendungen wie etwa Maschinenbetten einzusetzen. Diese sollten traditionell eher schwer sein, damit die Maschine stabil ist und eine gute Dämpfung aufweist. Mit dem konstruktiven Leichtbau sprechen wir Unternehmen der Baubranche und Hersteller von Maschinen, Anlagen und Geräten an. Bei der Bearbeitungstechnologie ist der Kundenstamm noch breiter gefächert, da Leichtbauwerkstoffe von Aluminium bis CFK im Automobilbau, in der Luftfahrt und zahlreichen anderen Branchen eingesetzt werden.

Was macht Dir am meisten Spaß an Deiner Arbeit?

Das ist zum einen die Vielfalt der Themen, die ich innerhalb des Leichtbaus entdecken kann. Zum anderen schätze ich die Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen, sowohl intern bei S-TEC oder am Fraunhofer IPA, als auch mit externen Partnern. Diese Mischung aus interessanten Themen und interessanten Menschen ist das, was meine Arbeit bereichert.

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