Aus dem Alltag von … Jan Janhsen

Ein Gespräch über die Herausforderungen der additiven Fertigung

Seit zwei Jahren leitet Jan Janhsen die Gruppe »Additive Fertigung für Photopolymere« und ist mit seinem Team Teil des Zentrums für Additive Produktion (ZAP). Warum 3D-Druck viele Gesichter hat und was ihn an seiner Arbeit begeistert, erzählt er im Interview mit S-TEC.

Wie bist du zum Fraunhofer IPA gekommen?

Als Student hatte ich in Aachen meinen ersten Kontakt zur Fraunhofer-Gesellschaft und konnte am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) im Rahmen von Hiwi-Tätigkeiten, Studienarbeiten, Bachelor- und Masterarbeit Einblicke in die diversen Themengebiete der Lasertechnik erhalten. Über eine Stellenausschreibung im Bereich Steuerungstechnik und Entwicklung von 3D-Druckanlagen bin ich 2015 nach Stuttgart an das Fraunhofer IPA gekommen. Mein Fokus lag in den ersten Jahren auf der Programmierung und Prozessentwicklung von 3D-Druck Versuchsständen. Im Gegensatz zu den kommerziell erhältlichen 3D-Druckern, die meist eingeschränkte Prozessmanipulationsmöglichkeiten aufweisen, ermöglichen uns Eigenbauten, tief mit den einzelnen Komponenten des jeweiligen Druckers zu interagieren. Nur durch unser interdisziplinäres Team, bestehend aus Maschinenbau-, Elektrotechnik- und Prozessingenieur*innen, können wir komplexe Versuchsstände eigenständig planen, aufbauen und im Anschluss zur Prozessentwicklung nutzen. Über verschiedene Projekte bin ich immer stärker in die Projektorganisation eingestiegen und leite nun seit zwei Jahren die Gruppe »Additive Fertigung für Photopolymere«.

Woran arbeitest du gerade?

Als Gruppenleiter bin ich in viele Projekte meiner Gruppe involviert, nehme eine beratende Funktion ein und schaffe die Rahmenbedingungen für unsere Forschung. Ich behalte den Überblick über die Projekte, mit dem Ziel, unsere Forschungsschwerpunkte strategisch weiterzuentwickeln und unsere Projektpartner adäquat zu betreuen. Gleichzeitig kümmere ich mich um die individuellen Problemstellungen meiner Mitarbeiter*innen, organisatorische Angelegenheiten wie die Laborausstattung und die Akquise neuer Forschungs- und Industrieprojekte. Gerade der Mix aus öffentlichen Forschungsprojekten und direkter Industriebeauftragungen macht den Arbeitsalltag abwechslungsreich und sorgt dafür, dass wir als Team spannende Themen bearbeiten können. Durch Öffentlichkeitsarbeit wie zum Beispiel Fachvorträge, Webinare und Veröffentlichungen kann unsere Arbeit breitere Zielgruppen erreichen – von Nachwuchswissenschaftler*innen bis hin zum neuen Industriekunden.

Bei S-TEC seid ihr durch das ZAP präsent. Was bedeutet »additive Produktion« im Namen eures Zentrums?

Es gibt viele unterschiedliche Begriffe für den 3D-Druck wie additive Fertigung, generative Fertigung oder Rapid Prototyping. Dahinter steckt in verschiedenen Verfahrensausprägungen immer das Prinzip des schichtweisen Aufbaus eines Bauteils. Obwohl die Anfänge der additiven Fertigung von Kunststoffen in dem 1980er Jahren liegen, konnte sich die Technologie bis jetzt noch nicht vollständig als industrielle Fertigungstechnik etablieren. Mit dem Titel des Zentrums setzen wir den Fokus bewusst auf die additive Fertigung als Produktionsverfahren in einem professionellen Kontext, denn wir haben uns zum Ziel gesetzt, die additive Fertigung für professionelle Anwendungen nutzbar zu machen. Für uns spielt es dabei keine Rolle, ob es sich um ein individuales Medizintechnikprodukt oder eine industrielle Serienproduktion handelt. Im Fokus unserer Forschungsarbeiten stehen die Weiterentwicklung der additiven Kernprozesse, der Aufbau von hybriden Fertigungsprozessen mit komplementären Fertigungsverfahren, die Entwicklung neuer Anlagentechnik und Peripherieanlagentechnik sowie die weitere Industrialisierung der Technologie. Um ein Beispiel zu geben: Viele der vor- und nachgelagerten Schritte wie Materialzuführung oder Stützstrukturentfernung sind bei einer Vielzahl der Verfahren noch manuelle Prozessschritte. Hier versuchen wir, langfristig einen höheren Grad an Automatisierung und somit auch eine bessere Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu erreichen.

Für welche Unternehmen ist der 3D-Druck besonders interessant?

So unterschiedlich wie die Ausprägungen der einzelnen Verfahrensprinzipien und Materialklassen im Bereich 3D-Druck sind, sind auch die Anwendungsbereiche. Es reicht vom Produkt-Prototypenbau über Reparatur- und Ersatzteilfertigung bis hin zum Endprodukt. So setzen produzierende Unternehmen mittlerweile 3D-Druckverfahren zum Herstellen von Produktionshilfsmitteln oder spezifischen Testobjekten ein. Anwendungen des 3D-Drucks finden sich von der Medizintechnik bis hin zur gedruckten Animationsfigur in einem Disneyfilm in fast jeder Brache. Ein klassisches Beispiel für eine oft zitierte Branche, die 3D-Druckverfahren bereits breit erfolgreich einsetzt, ist die Luft- und Raumfahrtindustrie. Dort werden mittels 3D-Druck beispielsweise gedruckte gewichtsoptimierte Strukturen eingesetzt. Durch den 3D-Druck können Unternehmen neue Anwendungen und Märkte erschließen. Um das Potential hier voll auszuschöpfen, sollten sie genau über die Vor- und Nachteile der einzelnen 3D-Druckverfahren Bescheid wissen. Wir evaluieren für den spezifischen Hintergrund unserer Kund*innen, ob das angestrebte Funktionsprinzip technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist.

© Fraunhofer IPA; Foto: Rainer Bez

Wir unterstützen Kund*innen dabei, neue Materialsysteme zu verarbeiten, Multi-Material-Bauteile herzustellen und auf Basis des aufgebauten Prozessverständnisses reproduzierbare Ergebnisse sicherzustellen.

M.Eng. Jan Janhsen


Mit welchen Wünschen kommen Kund*innen zu euch?

Auch hier ist die Antwort wieder: »Von… bis«. Mit den von uns neu- oder weiterentwickelten Fertigungsprozessen und -anlagen unterstützen wir unsere Kund*innen darin, aus der additiven Fertigung Wettbewerbsvorteile zu generieren und diese erfolgreich zu nutzen. Durch unseren gesamtheitlichen Blick auf die additive Fertigung unterstützen wir sie durchgehend von der strategischen Nutzungsanalyse bis zur erfolgreichen Implementierung im Unternehmen. Prozessseitig bekommen wir Anfragen zur anwendungsspezifischen Neu- bzw. Weiterentwicklung additiver Fertigungsprozesse zur Verarbeitung von Photopolymeren und Thermoplasten. Wir unterstützen Kund*innen dabei, neue Materialsysteme zu verarbeiten, Multi-Material-Bauteile herzustellen und auf Basis des aufgebauten Prozessverständnisses reproduzierbare Ergebnisse sicher zu stellen. Hierfür stehen uns Möglichkeiten zur Analyse von Ausgangsmaterialien, Druckprozessen sowie gefertigter Bauteile zur Verfügung. Somit können Prozessparameter, Aufbaustrategien oder Anlagenkomponenten zielgerichtet entwickelt oder optimiert werden.

Was begeistert dich an deiner Tätigkeit?

Im Team täglich an spannenden Themen und Lösungen in den unterschiedlichsten 3D-Druck-Verfahrensklassen zu arbeiten, motiviert mich. Neben den fachlichen Diskussionen finde ich das zielgerichtete Forschen wichtig, wodurch unsere Arbeit am Ende des Tages unbedingt einen Mehrwert hat und beim Kunden wirklich einsetzbar ist.  Man bekommt somit auch ein unmittelbares Feedback seiner Arbeit. Besonders begeistert mich die Vielfalt an Verfahren und Lösungsmöglichkeiten, die wir realisieren. Für eine spezifische Problemstellung eines Kunden oder einer Forschungsfrage evaluieren wir relevante Verfahren oder Verfahrenskombinationen oder entwickeln neue Lösungsansätze. Unser Vorgehen zeichnet sich durch viele Freiheitsgrade aus, die wir für die bestmögliche Anwendung nutzen und damit neue Anwendungen erschließen. Darum etablieren sich viele 3D-Druckverfahren aus der Nische heraus als komplementäres Produktionsverfahren zu den bestehenden Möglichkeiten.

Wie gestaltet ihr euren Arbeitsalltag unter Pandemie-Bedingungen?

Ein Teil meiner Arbeit erledige ich aus dem Homeoffice, denn auch bei uns sind Telefonkonferenzen häufiger und die Abstände dazwischen kürzer geworden. Die andere Hälfte verbringe ich am Institut, denn unsere praktische Arbeit spielt sich noch immer in Laboren ab. Wir haben sowohl dort auch als im Büro seit Pandemiebeginn für alle Mitarbeiter*innen einen Minimalbetrieb in physischer Anwesenheit ermöglicht, damit jede*r die gleiche Anzahl an Präsenztagen am Institut wahrnehmen kann. Das ist nur mithilfe einer durchdachten Belegungsplanung möglich. Die Zusammensetzung der Belegschaft wechseln wir regelmäßig durch, damit alle persönlichen Kontakt halten können. Wir wollen einer Entfremdung zulasten des Arbeitsklimas entgegenwirken.

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